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Das Bauernhofmodell – Wo unser Essen herkommt

Das Bauernhofmodell – Wo unser Essen herkommt
Copyright Sophia Spillmann

Die Nahrungsaufnahme gehört zu unseren Grundbedürfnissen, ohne regelmässige Mahlzeiten können wir nicht überleben. Je ausgewogener und gesünder unsere Ernährung, desto besser für unsere Gesundheit, Leistungsfähigkeit und natürlich für unser Wohlbefinden.

Oft sparen preissensible Verbraucher als Folge einer jahrzehntelangen Entwicklung sinkender Preise und abnehmenden Qualitätsbewusstseins jedoch ausgerechnet beim Kauf von Lebensmitteln. Lange Zeit haben Discounter an Marktanteilen gewonnen und so zunehmend kleine Händler und Supermärkte aus dem Geschäft gedrängt. Eine ähnliche Entwicklung hat parallel und als logische Konsequenz dazu in der Landwirtschaft stattgefunden: Dem Druck der ständig sinkenden Preise und der Notwendigkeit, grössere Mengen zu produzieren, konnten viele kleine und mittelgrosse Betriebe nicht mehr standhalten.

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Glücklicherweise hat sich diese Entwicklung in den letzten Jahren langsam umgekehrt. Die wirtschaftliche Situation ist gut, der Verbraucher vollzieht eine Entwicklung vom Schnäppchenjäger zum Genussmenschen. Das wachsende Qualitätsbewusstsein hat dazu geführt, dass jeder Supermarkt, der etwas auf sich hält, eine grosse Abteilung für regionale und biologische Produkte sein Eigen nennt. Viele Konsumenten gehen jedoch mittlerweile einen Schritt weiter und kaufen einige Produkte direkt beim Erzeuger.

Back to the roots – Die Bauernhof-Erfahrung

Die hofeigene Backstube
Die hofeigene Backstube

Aufstehen mit dem ersten Hahnenschrei, leben im Einklang mit der Natur, Landromantik und Landlust – was nach einem Rosamunde Pilcher Roman klingt, ist seit einigen Jahren wieder en vogue und Bestandteil des Ferien-Lebens vieler moderner Konsumenten, ebenso wie der samstägliche Einkauf auf Bauernmärkten oder Bauernhöfen.

Nach einem Plausch mit dem Landwirt, einer Runde Streichelzoo bei den kleinen Kälbchen und einem Rundgang durch den Bauerngarten geht’s am Ende des Tages nach Hause, mit ein paar Milchflaschen, Backwaren und saisonalem Gemüse aus dem Bauernladen unterm Arm.

Während diese Mitbringsel verspeist werden denkt man nostalgisch an die Zeiten, als Brot noch nicht aufgebacken wurde, Gemüse und Obst in grösserer Vielfalt vorhanden war und das Wort Massentierhaltung noch nicht existierte.

Die Bauernhof-Erfahrung geht über blosses Schauen und Kaufen hinaus: Auf vielen Höfen kann der Besucher mittlerweile selber Hand anlegen, sei es beim Heuen oder Melken, Käseseminar oder ähnlichem. Beim Thema Regionalität geht es für die Konsumenten – neben rationalen Kriterien wie Nachhaltigkeit, Transparenz, Frische etc. – auch um ein emotionales Erlebnis.

Regional ist authentisch, ein Stück Identität in unserer globalen Welt. Verschiedene Lebensmittelskandale haben dazu geführt, dass der Verbraucher generell leicht zu verunsichern ist. Wer hingegen zu „seinem“ Bauern fahren und ihm über die Schulter schauen kann, hat das angenehme Gefühl zu wissen, wo die gekauften Produkte herkommen.

Der Baldenwegerhof – ein Jahr im Fokus

Glückliche Hofbewohner
Glückliche Hofbewohner

Wir haben einen mittelgrossen Hof gesucht, der eine breite Vielfalt an Produkten anbietet. Diesen Hof werden wir nun ein Jahr begleiten, um besser nachvollziehen zu können, was für Herausforderungen und wieviel Arbeit hinter dem Schlagwort „Regionale Landwirtschaft“ stecken. Eines vorweg: es geht über gelegentliches Traktorfahren hinaus.

Bernd Hug bewirtschaftet mit seiner Familie und Angestellten auf dem Baldenwegerhof in der Nähe von Freiburg (Deutschland) circa 35 Ha Ackerland und 25 Ha Grünland. Neben der Zucht von Puten, Hühnern, Rindern und Schweinen wird Gemüse angebaut und es gibt eine hauseigene Backstube. Die Direktvermarktung ist das Hauptstandbein des Hofes, als zweites und drittes Standbein gibt es zwei Ferienwohnungen und Ställe für Pensionspferde.

Der elterliche Betrieb war bis Ende der 90er Jahre – wie fast alle umliegenden Höfe – auf die Milchviehhaltung ausgerichtet. Der Hof inmitten eines kleinen Dorfes war zu klein zum Leben und zu gross zum Sterben. Und so verkaufte Hug den elterlichen Besitz, um einen grösseren Hof zu übernehmen.

1999 kaufte er den Baldenwegerhof, auf dem er ein neues Konzept einführen wollte. Differenzierung war die Strategie, Direktvermarktung, und ein breiteres Angebot. Nach etlichen Umbaumassnahmen öffnete er am 7. September 2000 seinen ersten Bauernladen auf dem Hof, damals noch ein kleines Gartenhäuschen zur Selbstbedienung. Um die Produktpalette zu erweitern, wurde eine Backstube geschaffen, in der verschiedene Brote und Kuchen tagesfrisch gebacken werden.

Er erinnert sich: Zu dieser Zeit erlebten Aldi und Lidl riesige Wachstumsschübe und ihm fiel auf, wie wenig Anerkennung ihm die Leute für seine harte Arbeit entgegenbrachten. Im besten Fall wurde er belächelt, im schlimmsten Fall als Bauerntölpel abgetan. Die meisten Konsumenten schienen keinerlei Bezug zu den Lebensmitteln zu haben, ihnen war nicht bewusst, dass die Bauern Grundnahrungsmittel produzieren.

Um den Verbrauchern das Landleben und den Wert seiner Produkte näherzubringen, hat Hug den Hof stets für Besucher geöffnet, die so die Gelegenheit haben, sich selbst davon zu überzeugen, dass die Qualität stimmt. Denn der persönliche Kontakt zwischen Kunden und Erzeuger fördert den Austausch und nur so kann Wertschätzung zustande kommen.

Das kleine Gartenhäuschen, das als Bauernladen fungierte, wurde bereits nach zwei Jahren durch ein grösseres ersetzt. Der heutige Hofladen bietet genug Platz, um auch noch einige Produkte von umliegenden Bauernhöfen zu verkaufen, fast alle Nahrungsmittel des täglichen Bedarfs können dort erworben werden.

Die Philosophie

Herr Hug hat nie auf Bio umgestellt: Das Konzept erscheint ihm trotz guter Ansätze noch nicht ausgereift. Was nicht heisst, dass ihm das Wohlergehen seiner Tiere und ein verantwortungsvoller Umgang mit der Natur nicht am Herzen lägen. Über die Jahre hat er auf seinem Hof die Nutzung von künstlichem Dünger und Pflanzenschutzmitteln um die Hälfte reduziert, alle Tiere haben fast rund um’s Jahr Freilandauslauf und die Stallungen sind grosszügig bemessen. Gentechnisch veränderte Produkte und Antibiotika werden nicht eingesetzt.

Über die Jahre und mit wachsender Erfahrung hat er ein ausgeklügeltes Fruchtfolgesystem etabliert, das es ihm erlaubt, sparsam zu düngen. Grossen Wert legt er auf Bodenpflege durch Einsatz wechselnder Kulturen. Der Hof hat eine eigene Photovoltaik-Anlage, die so viel Energie produziert wie verbraucht wird.

Die Erzeugnisse

Auf dem Hof werden tierische und pflanzliche Erzeugnisse produziert. Im Freiland werden Salate, Bohnen, Kartoffeln, Zucchini und Speisekürbisse angebaut, in den zwei Gewächshäusern wärmeliebende Pflanzen wie Tomaten und Auberginen.

Der Baldenwegerhof beherbergt 200 Schweine, 60 Rinder, 150 Puten und 500 Hühner, die in zwei Kolonien leben. Der Grossteil der Tiere wird auf dem Hof geboren, der Rest bei anderen Landwirten dazugekauft. Geschlachtet wird wöchentlich. Eines der Ziele ist es, in den nächsten Jahren darauf hinzuarbeiten, alle Tiere selber zu züchten und nicht mehr dazukaufen zu müssen.

Zum grössten Teil fressen die Tiere Grünfutter, als zusätzliche Eiweissquelle für Hühner und Schweine wird Soja angebaut. Das mit solchem Erfolg, dass das Futter für die Tiere mittlerweile zu 100 % selbst produziert wird.

Kein 9 – 5 Job

Auf Feinschmecker.com haben wir viel über regionale und saisonale Küche geschrieben, dies aber bisher hauptsächlich aus der Sicht des Konsumenten. In dieser Rubrik hingegen interessiert uns nun der Standpunkt des Produzenten.

Wie sieht der Arbeitsalltag eines Landwirts aus?

Wie gehen die Landwirte mit den Änderungen im Verhaltensmuster des Konsumenten um?

Was bedeutet „Animal Welfare“ auf einem mittelgrossen Hof, der wirtschaftlich bleiben muss?

Welche Aufgaben fallen täglich, wöchentlich, monatlich an, um dem Verbraucher anschliessend saisonale Produkte zu einem vernünftigen Preis bieten zu können?

Idyllisches Landleben oder Knochenjob?

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Die täglichen Aufgaben des Landwirtes sind so vielfältig wie das Betätigungsfeld und erfordern eine gewissenhafte Bearbeitung. Die Tiere müssen jeden Tag gefüttert und gepflegt werden, um zu gedeihen. Die Ställe müssen täglich gemistet werden und das Heu muss im richtigen Moment geschnitten und eingebracht werden, egal wie lange es dauert. Wer Obst, Gemüse oder Getreide anbaut, hängt in grossem Masse von der Witterung ab.

Der Arbeitstag beginnt um 05:00 morgens und endet, wenn alle Aufgaben erledigt sind, meistens gegen ca. 20:00 Uhr. Und all das sieben Tage die Woche. In den Teilen 1 – 4 unserer Serie werden wir den Baldenwegerhof durch die Jahreszeiten begleiten und dokumentieren, wo die Produkte herkommen, die hinterher bei uns auf dem Teller landen.

Sophia Spillmann

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