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Bier im Gourmetrestaurant – Gerstensaft der raren Art

Bier im Gourmetrestaurant – Gerstensaft der raren Art
Copyright Braufactum

Bier ist längst kein Billigprodukt mehr, und niemand muss sich schämen, wenn er Bier im Gourmetrestaurant statt Wein bestellt. Binnen weniger Jahre sind die sogenannten Craft Beers zu Rennern bei den Gourmets geworden. Manche werden mit speziellen Hopfensorten gefertigt, andere nach dem Solera-System hergestellt. Und einige sind einfach unfiltrierte und niemals pasteurisierte Kreationen umtriebiger Hobby-Braumeister.

„Es geht um ein gutes Produkt, und das hat erstmal nix mit Traube oder Gerste zu tun, sondern beginnt für mich mit dem Selbstverständnis, das der Hersteller von sich und seinem Produkt hat.“

Hirnibräu-Chef Andreas Aemmer wartet nicht auf seine Kunden, die warten stattdessen auf ihn. Verkauft wird, in einem ehemaligen Trafoturm am Rande von Zürich, nämlich nur am Freitagnachmittag. Nicht danach, nicht davor. Und wer als Wiederverkäufer zugelassen sein will, muss sogar perfekte Kühlmöglichkeiten vorweisen können und Überzeugungsarbeit leisten. Der Brau-Autodidakt Aemmer, der sein Bier keiner unnötigen Behandlung unterzieht und auf die in der industriellen Fertigung übliche Pasteurisierung verzichtet, will kein Risiko eingehen. Lieber verkauft er weniger, als dass er in Kauf nähme, seine Ware nicht im optimalen Zustand auszuliefern.

Mit derartiger Konsequenz ist Hirnibräu auch unter den sogenannten Mikrobrauereien eine Ausnahme. Die neu gegründeten Kleinst-Unternehmen haben sich in den letzten Jahren neben Großkonzernen und mittelständischen Brauereien etablieren können. Mehr noch: Sie lenken den Fokus der Bierliebhaber auch auf Kleinbetriebe, die seit Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten Nischenprodukte herstellten, ohne einen größeren Bekanntheitsgrad zu erreichen.

BIER ALS KULTOBJEKT

„Ich denke, es ist sogar wichtig, dass dies auch in der Spitzengastronomie erkannt und verbreitet wird, um diesem Standesdünkel-Unsinn endlich den Garaus zu machen.“

Über den Status eines in der Provinz und als persönliche Leidenschaft geführten Hobby-Projektes ist Braufactum schon ein bisschen hinaus, war es von Anfang an. Die Marke Braufactum (im Original mit großem „M“ geschrieben) gehört zur Internationalen Brau-Manufacturen GmbH und hat sich in den letzten Jahren einen Spitzenplatz in der Szene der Edel-Gerstensäfte erarbeitet. Vor allem durch eine perfekte Corporate Identity, durch schicke Etiketten und Flaschenausstattungen, ein durchdachtes Marketingkonzept.

Auch durch Preise, an die der Zürcher Andreas Aemmer nie zu denken wagte. Was die Firma Braufactum vertreibt, erreicht schon mal Preise von deutlich mehr als 15 Euro pro Flasche. Zu begründen sind solche Tarife gewiss mit dem hohen Aufwand, den das Arrique (Lagerung im Barrique und stolze 13,5 Prozent Alkohol) oder ein Xyauyù Gold (Ausbau im Solera-System nach Vorbild des Sherry) erfordern.

Zu erklären sind sie aber auch mit der Zielgruppe. Die dürfte sich nämlich nur selten aus klassischen Pils- oder Kölschtrinkern rekrutieren, sondern eher aus Weintrinkern oder Whiskyfans, aus Hedonisten mit entsprechenden finanziellen Ressourcen. Die enormen Summen, die für einen erstklassifizierten Bordeaux oder einen Champagner zu entrichten sind, hinterfragt ja auch kaum einer – warum soll das beim Luxus-Bier anders sein?

ZIELGRUPPE SPITZENGASTRONOMIE

In Zeiten zurückgehender Normalbierverkäufe sind Kneipen nur ausnahmsweise der richtige Ansprechpartner für Top-Biere. Andererseits finden sich die Craft Beers, handwerklich erzeugte Spezialitäten, inzwischen auch dort, wo man das Thema noch vor ein paar Jahren mit Skepsis betrachtete. Bier im Sternerestaurant hatte lange etwas Anrüchiges; viele Gäste trauten sich nicht, ein Kölsch oder Alt zu bestellen, und so mancher Oberkellner dürfte auf entsprechende Anfragen mit einem missbilligenden Augenaufschlag reagiert haben.

Das hat sich geändert. „Warum sollte Bier dort außen vor bleiben?“, fragt Sebastian Bordthäuser, Chefsommelier in der doppelt besternten Alten Post im Ahrweindorf Heppingen. „Es geht um ein gutes Produkt, und das hat erstmal nix mit Traube oder Gerste zu tun, sondern beginnt für mich mit dem Selbstverständnis, das der Hersteller von sich und seinem Produkt hat.“ Der Weinexperte hat längst einen Teil der Getränkekarte für herausragende Biere reserviert. „Ich denke, es ist sogar wichtig, dass dies auch in der Spitzengastronomie erkannt und verbreitet wird, um diesem Standesdünkel-Unsinn endlich den Garaus zu machen.“ Bier als Mittel, um etwaige Schwellenängste abzubauen. Keine schlechte Karriere für Genussmittel, die aus Getreide, Wasser, Hefe und Hopfen zusammengebraut wurden!

Hirnibräu, www.hirnibraeu.ch
Braufactum, www.braufactum.de
Vagabundbrauerei, www.vagabundbrauerei.com
Schlenkerla, www.schlenkerla.de
Brauwerkstatt Malsfeld, www.brauwerkstatt-malsfeld.de

Über den Autor

Wolfgang Fassbender ist seit 25 Jahren als freier Journalist in den Bereichen Wein und Gastronomie tätig. Der gebürtige Leverkusener hat mehr als 80 Bücher geschrieben oder herausgegeben, arbeitet für viele Zeitschriften und mehrere Zeitungen, testet sich als Restaurantkritiker durch die Welt.

Er pendelt zwischen seinen Wohnsitzen im Rheinland und Zürich.

Kommentare

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Rickita

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Ulrich Sander

Hallo Herr Fassbender,

super Bericht.
Wenn Sie mal Lust auf ein besonderes rheinhessiches Craftbier haben, sind Sie gerne eingeladen mich in meiner kleinen Brauerei in Worms zu besuchen (www.brauerei-sander.de)

Viele Grüße

Ulrich Sander

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