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Das Bauernhofmodell – Ein schwieriger Sommer

Das Bauernhofmodell – Ein schwieriger Sommer
Copyright Sophia Spillmann

Teil zwei unserer Serie über den Alltag eines landwirtschaftlichen Betriebes mit allen Up’s und Downs. Bernd Hug vom Baldenwegerhof berichtet, wie es ihm im Laufe der letzen Monate ergangen ist.

Von Sophia Spillmann

Dies ist Teil zwei unserer kleinen Serie zum Thema regionale Landwirtschaft, die wir auf Feinschmecker.com veröffentlichen. Hierbei interessieren uns die Produzenten landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Wir begleiten zu diesem Zweck einen mittelgrossen Hof durch die vier Jahreszeiten. Kleine Gedächtnisstütze gefällig? Hier Teil 1 der Serie nachlesen!

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Welche Arbeiten fallen wann an, wie bleibt ein Hof wirtschaftlich und wie realistisch sind Konzepte wie schadstoffarme Pflanzenkulturen und Animal Welfare, wenn man dem Verbraucher Produkte zu einem fairen Preis liefern muss? Diese Fragen hoffen wir im Laufe des Jahres auf den Grund zu gehen.

Bauernregeln und Wetterkapriolen

Schöner Ausblick über Getreidefelder
Ausblick über sommerliche Getreidefelder

„Summertime and the livin‘ is easy“, sang schon Ella Fitzgerald und auch Sting fühlte sich bemüssigt, den „Fields of gold“ in einem Song zu huldigen. Der Sommer 2016 wird den Landwirten allerdings als eher kompliziert in Erinnerung bleiben. Bernd Hug vom Baldenwegerhof hat uns im Gespräch berichtet, wie es ihm in den letzten Monaten ergangen ist.

Wer hat nicht mal von den sogenannten Bauernregeln gehört? Demzufolge ist ein Schaltjahr ein Kaltjahr. Angesprochen auf diesen Umstand winkte Bauer Bernd noch im Frühjahr ab. Aber tatsächlich scheint die Bauernregel dieses Jahr zuzutreffen. Auf ein kaltes, nasses Frühjahr folgten die verschiedensten Wetterkapriolen.

Von einem beständigen Sommer weit entfernt, folgten feuchte Wochen auf einige warme Intervalle. Erste Mitte bis Ende Juli und August wurde es dauerhaft wärmer. Petrus hat es dieses Jahr bisher nicht gut gemeint mit den Landwirten.

Die Gemüsekulturen auf dem Feld konnten erst spät ausgesät werden und sind anschliessend im Regen quasi ertrunken. Die schnellwüchsigen Kürbisspflanzen der Sorten Hokkaido, Muskat und Butternut sind in den meisten Jahren recht pflegeleicht.

Normalerweise gedeihen die Pflanzen hervorragend auf einer Mulchschicht von Grasschnitt und strohhaltigem Pferdemist. Dieses Jahr ist diese Mulchschicht jedoch durch den vielen Regen in Rekordzeit in sich zusammengefallen, Unkraut wurzelte auf dem nährstoffreichen Boden und erdrückte die jungen Kürbispflanzen regelrecht.

Um das wuchernde Unkraut in Schach zu halten hätten die Felder in regelmässigen Abständen manuell bearbeitet werden müssen, was zeitlich nicht umsetzbar war. Dementsprechend wird die Ernte dieses Jahr eher mau ausfallen.

Die Getreidefelder, die Nahrung für das Vieh liefern, waren durch die zuletzte feuchtwarme Witterung einem enormen Pilzdruck ausgesetzt, die Körner deutlich kleiner als normal. Problematisch vor allem für die Bio-Bauern, da konventionelle Höfe die Möglichkeit haben, mit gezielt eingesetzten Pflanzenschutzmitteln gegenzusteuern.

Aufgrund der Witterung hat es bei den Freilandkulturen einige Problemen mit Mehltau gegeben. Trotz allem gedeiht das Gemüse auf den Feldern, allen voran Aubergine, Zucchini, Paprika, und Pflücksalat. Im Gewächshaus wachsen die wärmeliebenden Tomaten und Gurken unbeeindruckt vom Regen, der den draussen wurzelnden Artgenossen teilweise zu schaffen gemacht hat.

Die Kirschen wurden von der Kirschessigfliege geplagt, die Erdbeeren von Fäulnis bedroht… Aber nicht nur Obst und Gemüse haben unter der Witterung gelitten. Der erste Heuschnitt konnte aufgrund des Regens und der Kälte erst zwei bis drei Wochen später durchgeführt werden als in anderen Jahren. Der zweite Schnitt verspätete sich ebenfalls dermassen, dass es dieses Jahr keinen dritten Schnitt geben wird – ein Präzedenzfall.

Bernd Hug ist trotzdem zuversichtlich, genug Rauhfutter zu haben, um die Tiere damit im Winter zu versorgen. Im Herbst wird er die Rinder anstatt des dritten Schnittes direkt auf die Felder treiben, um diese bis Ende Oktober, Mitte November abzugrasen, sofern es die Witterung zulässt. Not macht eben erfinderisch.

Von duschenden Rindviechern

Der Bauer gönnt seinen Kühen eine Abkühlung
Eine Abkühlung für die Kühe

Währenddessen stehen viele der benachbarten Landwirte, die Milchviehhaltung betreiben, wieder einmal vor dem Problem, dass die Milchpreise in den Keller gesunken sind. Dabei ist Milch ein wertvolles Lebensmittel, enthält Eiweiss, Vitamine und Folsäure.

Trotzdem wird sie teilweise im Laden für unter 50 Cent pro Liter verkauft und viele der Bauern können kaum ihre Kosten decken. Angesichts dieser Verhältnisse ist Bauer Hug froh, dem Milchviehbetrieb beizeiten abgeschworen zu haben.

Dem Vieh auf dem Hof geht es bei all dem „tierisch gut“. Die Schweine, Rinder und Hühner gedeihen und auch zwei Putenherden vergnügen sich bereits wieder im Grünen. Die Küken wurden zunächst in einem speziellen Aufzuchtstall gehalten bis die Temperaturen stabil genug waren, um sie ins Freiland zu entlassen.

Einige Rinder mussten vorübergehend wieder in den Offenstall ziehen, da das Gras aufgrund der zuletzt anhaltenden Trockenheit nicht nachgewachsen ist. Hug hofft, sie in Kürze wieder auf das Feld bringen zu können. An einigen heissen Tagen im Juli und August hat er es sich nicht nehmen lassen, den Rindern mit dem Schlauch eine kleine Abkühlung zu verpassen.

Weitere Standbeine als Absicherung

Die Direktvermarktung im Bauernladen ist das Hauptstandbein des Baldenwegerhofs. In Jahren wie diesem ist es besonders wichtig, dass es auch die Pensionspferdehaltung und Ferienwohnungen als weitere Einkommensquellen gibt.

In der Ferienzeit sind diese vollbesetzt mit Gästen, vor allem Familien und Ehepaare, die sich einer unbeschwerten Zeit auf dem Land erfreuen möchten. Bauer Bernd ist sich sicher: Ein moderner Hof muss breit aufgestellt sein, um ein gutes Einkommen zu ermöglichen und die Landwirte gegen unvorhersehbare Probleme abzusichern.

Leckeres aus der Küche

Neben der Feld- und Stallarbeit gibt es im Sommer auch in der Küche viel zu tun. Es gilt, die geernteten Produkte zu verarbeiten. Der Baldenwegerhof verfügt über eine Gewerbeküche, in der verschiedene Lebensmittel zubereitet werden, unter anderem Wurstsalat, salzige Aufstriche, Marmeladen, Spätzle und gebratene Schnitzel & Putenkeulen werden hier verkaufsfertig zubereitet. Ein Renner des Hofladens sind die Wurstprodukte.

Die WHO – Studie, die ein erhöhtes Krankheitsrisiko durch den Konsum von Wurst- und rotem Fleisch belegt, macht sich hier nicht bemerkbar. Anfang Mai wurde ein weiterer Metzger eingestellt, der für den Hof arbeitet.

Bei den Kunden hat Herr Hug den Trend festgestellt, dass sie tendenziell weniger Fleisch kaufen, aber auf eine höhere Qualität achten. Neben Putenteilen und Cuts vom Rind verkaufen sich besonders die Bauernbratwürste gut.

Rund um’s Brot

Selbst gebackenes Brot mit einem frischen Aufstrich
Selbst gebackenes Brot mit einem frischen Aufstrich

In der Backstube werden bis zu 10 verschiedene Brotsorten und gelegentlich auch Weckle, Hefeteilchen, Laugenstangen oder Kuchen zubereitet. Was als Hobby begann ist mittlerweile aus dem Hofladen nicht mehr wegzudenken. Nachdem die Bäckerei lange Zeit von Hug in Eigenregie betrieben wurde, gibt es neuerdings wieder einen Bäcker, der mit seinem Fachwissen sicher viele positive Neuerungen anstossen wird.

Neben Broten aus verschiedenen, selbst hergestellten Mehlmischungen gibt es mit dem Kartoffelbrot und Karottenbrot auch zwei sogenannte Gemüsebrote. Jeweils 500 g Kartoffeln bzw. 330 g Karotten kommen hier auf 1 kg Mehl.

Die Karotten werden geraspelt und roh eingearbeitet, die Kartoffeln gekocht, zerstampft und eingeknetet. Diese Brote sind besonders saftig, halten sich sehr gut und bieten auch geschmacklich eine Abwechslung. Gerade das Karottenbrot passt sehr gut zu salzigen Aufstrichen.

Das meistverkaufte Brot ist jedoch das Bauernbrot, dessen Rezeptur Bernd Hug nach langem Probieren und Studieren vor 18 Jahren selbst kreiert und seitdem nicht geändert hat. Das genaue Rezept des Verkaufsschlagers ist zwar unter Verschluss, doch für Neugierige hat Bauer Bernd hat sich bereit erklärt, die Zusammensetzung näher zu erläutern.

Das Bauernbrot besteht aus 68% Weizenmehl 1050, 14% Roggenvollkornschrot, 18% Roggenmehl 1150, Salz, Hefe und Wasser. Der gut bearbeitete Teig sollte im Idealfall über Nacht ruhen, damit das Brot schön luftig wird. Der hohe Anteil an Roggenvollkornschrot macht dieses Brot relativ dunkel und sorgt für ein rustikales Aroma. Bauer Bernd isst nachmittags als Vesper besonders gerne ein Brot mit selbstgemachtem Aufstrich.

Rezept Bärlauchquark:

  • Der Quark besteht aus 1/3 Quark, 1/3 Hüttenkäse, 1/3 griechischem Joghurt
  • Karotten und Sellerie anschwitzen.
  • Bärlauch mit Öl mixen und pürieren.
  • Schnittlauch und Petersilie dazugeben und alles vermengen.
  • Mit Zitrone, Pfeffer, Salz und einer Prise Curry abschmecken.

Ausserhalb der Bärlauchsaison kann man es als Geschmacksgeber auch mit Frühlingszwiebeln oder anderen aromatischen Zwiebel-, oder Knoblauchgewächsen probieren.

Gleichzeitig beginnt schon wieder die Vorarbeit für Winter und Herbst: Auf den abgeernteten Getreidefeldern hat Hug schon eine Leguminosemischung ausgebracht. Diese lockern den Boden auf, versorgen ihn mit Nährstoffen und sind ausserdem schön fürs Auge.

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Ab Mitte Oktober wird dann das Wintergetreide gesät. Nach dem Heuen im Juli und August sind nun etwas ruhigere Tage eingekehrt. Aber langweilig wird es trotzdem nicht auf dem Hof. Nun hofft Familie Hug auf einen goldenen Herbst, um das schwierige Jahr versöhnlich ausklingen zu lassen.

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