Zahlreiche Gerichte, die heute die Speisekarten in aller Welt zieren, galten einst als „Arme-Leute-Essen“. Man bediente sich der Lebensmittel der jeweiligen Region, verwertete Reste anderer Mahlzeiten und sättigte so mit geringem Aufwand die ganze Familie. Doch wo liegen die Ursprünge dieser kulinarischen Kreationen?
Ob Fleisch, Fisch oder Gemüse, in den traditionellen Küchen Europas kommt nahezu jedes Lebensmittel zum Einsatz. Viele Speisen, die heute als Klassiker der jeweiligen Landesküche gelten oder nach Jahren der Vergessenheit plötzlich eine kulinarische Renaissance erfahren, galten früher als „Arme-Leute-Essen“. Während beispielsweise Frischfisch im Inland aufgrund mangelnder Kühlmöglichkeiten eine Rarität war, gehört er in den Küstenregionen fest zur traditionellen Küche.
Von Pizza und Quiche bis hin zu Fischresten
Die wohl bekannteste Variante der „Resteverwertung“ ist die Pizza. Der Klassiker schlechthin der italienischen Küche hat ihren Ursprung wahrscheinlich in der Gegend um Neapel und ist ebenso einfach wie genial. Die Basis ist bis heute ein einfacher Hefeteig. Der Belag richtete sich einst danach, was Küche und Keller gerade hergaben. Heute lassen sich Pizzerien weltweit immer raffiniertere Pizzavarianten einfallen.
Versionen eines belegten Teigfladens gibt es übrigens auch in anderen Ländern, beispielsweise Flammkuchen oder Lahmacun. Und auch die französische Quiche entspricht diesem einfachen Zubereitungsprinzip.
Ein weiterer Klassiker der französischen Küche ist die Bouillabaisse. Auch bei dieser weit über die Grenzen Frankreichs hinaus beliebten Fischsuppe handelt es sich um ein „Arme-Leute-Essen“, das ursprünglich aus der Hafenstadt Marseille stammt. Hier suchten Fischhändler nach einer Möglichkeit, ihre auf dem Markt nicht verkaufte Ware zu verwerten – und fanden sie in der Bouillabaisse.
Im Nachbarland Spanien gibt es ebenfalls reichlich Fisch, aber hier entschied man sich – übrigens ebenso wie in Portugal und anderen Mittelmeerländern – für eine andere traditionelle Zubereitung: den Stockfisch.
Am einen Ort eine Delikatesse, andernorts tägliches Programm
Der durch Trocknung haltbar gemachte Fisch – vor allem Kabeljau – diente früher vor allem zur Versorgung von Schiffsmannschaften und Soldatenheeren. In Spanien und Portugal gehört er bis heute zur täglichen Küche, in anderen Ländern wie Griechenland oder Kroatien kommt er vor allem an Feiertagen auf den Tisch.
In unseren Breitengraden stand früher regelmässig der Flusskrebs auf dem Speiseplan. Das in nahezu jedem Süsswasser der Welt beheimatet Krustentier gab es hier in Hülle und Fülle. Da die Tiere jedoch sehr empfindlich auf die Verunreinigung ihres Lebensraums reagieren, hatten sie in den durch die Industrie jahrzehntelang stark verschmutzten Gewässern kaum eine Chance. Heute erfreut sich der Flusskrebs wieder grosser Beliebtheit. Das wachsende Angebot wird überwiegend mit Importen aus der Türkei und dem Iran abgedeckt.
Britischer Fleischkuchen aus dem Ofen
Wer nun denkt, dass sich Fleisch und „Arme-Leute-Essen“ kategorisch ausschliessen, der hat die Rechnung ohne den Shepherd’s Pie gemacht. Dieses traditionelle britische Gericht besteht grundsätzlich aus einer Schicht Hack- oder Schabefleisch und einer Schicht Kartoffelpüree, die zusammen im Ofen überbacken werden.
Da es auf den britischen Inseln seit jeher eine sehr grosse Schafpopulation gibt, wird für dieses Gericht traditionell Lamm- oder Hammelfleisch verwendet. Gerne kommen auch die Reste des ebenfalls traditionellen Sunday Roast (Sonntagsbraten) zum Einsatz – meistens ein Lammbraten.