zurück

Veronica Canha-Hibbert – Über den Dingen

Veronica Canha-Hibbert – Über den Dingen
Copyright The Silo

Es war die Sensation des Jahres. Die Eröffnung des neuesten Luxus-Hotels „The Silo“ in Kapstadt. Eine Fusion aus puristischem Industriebau, modernstem Design und zeitgenössischer Kunst. Bei diesem Kräftemessen auf höchstem Niveau darf eine aussagekräftige Kulinarik natürlich nicht fehlen. Sie liegt in den Händen einer Spitzenköchin: Veronica Canha-Hibbert.

 Der Schritt hinaus aus dem kompakten Betongebilde, auf die Dachterrasse des Hotels führt unweigerlich zu Sprachlosigkeit. Das verträumte Licht über dem Ozean. Das intensive Himmelsblau, das von kleinen Wölkchen durchbrochen wird, die Aussicht auf die Weiten des Ozeans, die Waterfront.

Es scheint als sei „Über den Dächern von Nizza“ ein alter Hut. Denn hier und jetzt ist man auf Augenhöhe mit dem Wahrzeichen der Stadt: den eindrucksvollen Felsmassiven des Tafelbergs. Magisch. Unvergesslich. Imposant.

Eine neue Ikone für Kapstadt

Der imposante Industriebau mit modernstem Design
Der imposante Industriebau mit modernstem Design

Perfekt inszeniert: 65 Meter ist der einstige, namensgebende Silo – das heutige „The Silo“ – hoch. Als die ehemalige Kornkammer 1924 erbaut wurde, war sie das höchste Gebäude im Herzen der Westkap-Metropole. In einer Gegend, in der sie alle ihre Spuren hinterlassen haben: Die holländischen Handelsleute, die britischen Kolonialisten und die bunte Regenbogennation in Zeiten Nelson Mandelas.

Nun erlangt das Gebäude mit seiner extravaganten Optik erneut höchste Aufmerksamkeit. Als Luxus-Boutique-Hotel, dessen sechs erlesen und vor allem liebevoll ausgestattete Etagen über dem neuen Zeitz MOCAA Kunstmuseum (Eröffnung September 2017) thronen.

Dem Besucher fallen als erstes die Fenster auf, die wie Waben eines Bienenstocks zwischen den Betonsegmenten eingesetzt wurden. Doch auch das Innere des Hotels ist mehr als aufsehenerregend. Denn trotz allem Design und aller Eleganz ist es Liz Biden – der Hotelbesitzerin, die persönlich das Interieur des Hotels gestaltete – gelungen, ein gemütliches Heim zu erschaffen.

Ohne Angst vor Kitsch und Prunk erschuf sie in allen Bereichen des Hotels, inklusive der 28 Suiten, ein stilvolles Unikum, in dem sich industrieller Charme, afrikanische Kunst und historische Antiquitäten vereinen. Nicht zuletzt die bewusste Entscheidung alte Technikrelikte und Maschinen-Accessoires aus der Geschichte des ehemaligen Getreidesilos als Designelemente zu nutzen, zeigen mit wie viel Aufmerksamkeit für das Gestern und auch das Heute dieses Hotel-Schmuckstück in Szene gesetzt wurde.

Kulinarik – weltoffen und doch lokal

Leckere Köstlichkeiten zur Tea Time
Leckere Köstlichkeiten zur Tea Time

„Ein ganz unglaublicher Arbeitsplatz. Es ist als würde ich über den Dingen schweben“, meint Veronica Canha-Hibbert fast überschwänglich vor Freude mit Blick auf die Stadt, die sich rund um das Hotel zu betten scheint. „Ich kann es einfach nicht fassen, dass ich Teil dieses besonderen Moments für die Stadt bin.“ Denn für die Spitzenköchin ist eines klar: „Kapstadt hat genauso ein High-End-Luxus-Hotel gebraucht.“

Kurz hält sie inne, überlegt: „Nein, es ist mehr. Ich liebe das Design, den Luxus und all die Möglichkeiten, die sich auch mir in den verschiedenen kulinarischen Outlets bieten. Aber The Silo ist auch ein zu Hause für die Bewohner und Besucher der Stadt. Die Restaurants und Bars sind offen für jeden. Jeder kann Teil davon sein.“

Neben der Bar auf 65 Metern Höhe – The Silo Rooftop – in der sie leichte Gerichte, Gegrilltes aus dem Keramik-Ei und auch Rohes wie Carpaccios, Tartar, Crudités und Ceviches serviert, besticht die Silo-Kulinarik mit dem Granary Café und der Willaston Bar auf der sechsten Etage, dem Entrée in das luxuriöse Hotel, wo wir es uns auf einer gemütlichen Couch bequem gemacht haben.

Veronica, wofür stehen die kulinarischen Momente des Hotels?

„Oh, es passiert so viel. Das genau ist ja das Grossartige. Hier im Restaurant, dem Granary Café, gibt es ganz klar französische Einflüsse. Die Produkte beziehe ich von lokalen Produzenten, aber das was vier daraus machen, ist weltoffen, frankophil und beständig. Eine Bouillabaisse oder ein Steak Frites mit Sauce Béarnaise. Klassiker, die qualitativ und technisch hochwertig sind und fester Bestandteil unserer Karte. Dazu kommt die offene Küche, in der wir einen Teil der Vorbereitungen übernehmen.

So können unsere Gäste den Köchen über die Schulter schauen. Am Nachmittag servieren wir hier unseren täglichen Afternoon Tea und am Wochenende gibt es den Sunday Roast – ein dreigängiges Menü, perfekt für Familien oder ein Treffen mit Freunden. Zusätzlich haben wir noch den Wisdom Room, der nach dem letzten Schiff benannt wurde, das Korn nach Europa brachte. Ein privater Bereich für Feierlichkeiten und grosse kulinarische Momente.“

Und der Willaston Bar nicht zu vergessen?

(Sie lacht.) „Wie könnte ich!? Dort gibt es die passenden Kleinigkeiten und einfachen Gerichte, die man zu seinem Drink haben möchte. Ich liebe diese Bar und die Aussicht auf den Tafelberg ist unglaublich.“

Das klingt nach einem grossen Team und viel Arbeit.

„Oh ja. Wir sind zwischen 18 und 20 insgesamt. Für mich eine ganz neue Erfahrung für so viele Menschen verantwortlich zu sein. Aber das Team ist grossartig. Wir sind in kürzester Zeit zusammengewachsen und es macht viel Freude. Und ich bin irgendwie die Mommy von allen.“ (Sie lacht erneut.)

Machte sie dieser Neubeginn nervös? Schliesslich blickt die ganze Welt auf dieses spannende Projekt.

Veronica Canha-Hibbert und Devin Micheal Jones
Veronica Canha-Hibbert und Devin Michael Jones

„Ja. Ja. Ja! Ich arbeitete zuvor sehr lange in einem sehr privaten Hotel (Anm. der Redaktion: Ellerman House zählt ebenfalls zu den besten Häusern der Stadt), weil ich ein sehr zurückhaltender Mensch bin. Ich will einfach nur richtig gutes Essen machen. Ich bin Köchin, weil es meine Leidenschaft ist. Aber mit „The Silo“ haben wir richtig Wirbel erzeugt.

Da muss ich meine Balance erst finden, aber es ist sehr gut zu wissen, dass ich gute Leute um mich herum habe, die an meiner Seite sind. Es war unglaublich zu sehen, wie alle während der Eröffnung zusammengearbeitet haben, ganz selbstverständlich Extraschichten eingelegten, einfach weil wir alle glücklich und stolz darauf sind, hier zu sein.“

Auf dem Tisch steht eine filigrane Etagere bestückt mit ebenso filigranen Meisterwerken: Kleine Törtchen, Macarons, feine Gurken- und Lachssandwiches, Scones und selbst gemachte Marmelade. Die Tea Time gehört vielerorts in Kapstadt zum traditionellen Genuss am Nachmittag. Ein genussvolles Relikt der britischen Kolonialzeit. So edel wie hier findet man sie allerdings nur an wenigen Orten.

„Dafür ist Devin verantwortlich“, sagt Veronica Canha-Hibbert stolz, der es ein Herzensanliegen ist, dass jeder einzelne ihrer Mitarbeiter wirken kann. „Ein Küchenchef allein ist nichts. Nur zusammen können wir das alles bewegen“, sagt sie schlicht und winkt einen jungen Mann heran. „Das ist Devin“, stellt sie den Patissier vor. „Setz dich.“

Seit wann arbeiten Sie zusammen?

Veronica Canha-Hibbert (VCH): „Ungefähr zwei Jahre.“

Devin Michael Jones (DVJ): „Ich begann vor gut anderthalb Jahren im Ellerman House. Unglaublich. Es kommt uns und vielen anderen schon viel länger vor. Aber es war uns schnell klar, dass wir sehr gut zusammen passen. Wenn man so eine Verbindung gefunden hat, ganz besonders als Patissier, ist das ein Traum. Jeder Koch braucht Gebäck und Desserts, die die Sprache der restlichen Küche aufgreifen, ergänzen und das gesamte Essen unvergesslich machen.

Das Dessert ist der letzte Gang, das bleibt einfach in Erinnerung. Mit Veronica ist es so einfach. Wir liegen auf einer Wellenlänge, finden Ideen und ergänzen uns im Kreativen. Manchmal beginnt es ganz klein und wird dann zu einem ganz grossartigen Dessert. Das macht unglaublich Spass!“

Also müsst ihr jetzt immer zusammenarbeiten.

VCH: „Ich denke schon. (Sie lacht.) Wir sind wie ein Paar. Es ist schwierig Menschen zu finden, mit denen man so auf einer Wellenlänge ist. Ganz besonders, wenn es um die Patisserie geht. Da muss man Geduld haben. Man fängt als einer der ersten in der Küche an, weil die Patisserie mit diesen vielen kleinen Schritten so viel Zeit erfordert – und trotzdem ist man der letzte, der die Küche verlässt. Das Dessert kam eben immer erst am Ende des Essens.

Zumal wir uns auch in unseren Ideen ergänzen. Ich sage beispielsweise Erdbeere und er sagt Zitrone. Das klingt erst komisch, aber ich vertraue ihm und er mir und am Ende kommt etwas Grossartiges dabei heraus.“

Veronica, was lieben Sie am Kochen?

„Die Tatsache, dass ich nie aufhöre zu lernen. Ich liebe es zu lesen, vor allem über Essen. Ich denke, es ist wichtig, seinen Geist wach zu halten und immer weiter zu lernen, sich zu verbessern. Als Koch wird man niemals alles wissen. Natürlich weiss man viel über das, was man tut, aber alles – niemals.

Dazu gibt es einfach so viele verschiedene Möglichkeiten, Produkte zu verarbeiten. Sei es molekular, traditionell, asiatisch oder mediterran … Es ist einfach kein Ende in Sicht. Du wirst niemals ein Ende erreichen, aber du hast eine wirklich grossartige Zeit, während du versuchst so viel zu lernen wie du kannst. Ich kenne keine Langeweile.“

Und Devin – warum die Patisserie?

Ein unverwechselbares und harmonierendes Design
Ein unverwechselbares und harmonierendes Design

„Als ich auf der Schule war, wusste ich nicht so genau, was mein Gebiet sein sollte. Kochen? Nein, das war es nicht. Meine Mutter ist eine grossartige Köchin und sie hat für uns Kinder immer gebacken – Kuchen, Brownies, einfach alles.

Einmal wollte ich zum Geburtstag einen ganz einfachen Kuchen und das Ergebnis war so fantastisch, dass ich es immer noch auf meiner Zunge schmecke.

Also, kommt vieles von ihr. Als ich im Mount Nelson (Anm. d. Red. Eines der 5 Sterne Hotels Kapstadts) als Commis anfing, beobachtete ich alles, was in der Patisserie passierte und sagte mir eines Tages:

„Das passt zu mir“. Ich bin sehr organisiert. Ich führe Listen und alles hat seinen Platz. Da bin ich sehr strikt.“ 

Klingt ziemlich deutsch.

DMJ: „Ich weiss.“ (Er lacht.)

Haben Sie eine Lieblingszutat?

VCH: „Im Moment sind es Zitronen. Ich erzähle meinen Köchen immer, sie müssen gut würzen. Und was ist die Antwort? „Nein, nein, du musst nur Salz und Pfeffer dazugeben.“ Für mich bedeutet Würze ein Spritzer Zitrone, Zitronenzeste, Butter, Öl… Alles, was man zu einem Gericht hinzufügt, ohne dass es eine Zutat ist. Das gibt dem Ganzen einfach mehr Geschmack.

Wenn du Zitrone zu Pilzen hinzufügst, wird das Gericht ungemein frischer. Fügst du Salz, Pfeffer und Butter hinzu und dann etwas Zitronensaft, wird alles runder und geschmackvoller. Man merkt: Ich liebe Zitrusfrüchte. (Sie lacht herzlich.) Und Kräuter, oh ich liebe Kräuter. Ich gebe am Schluss zu jedem Gericht etwas Petersilie, um ihm Frische zu verleihen.“

DMJ: „Auf jeden Fall Kräuter, Tee und Salze. Keiner will bei einem Dessert einen Teller voller Zucker haben. Du willst einfach mehr und es lässt sich vieles mit eigentlich Süssem verbinden. Zitrusfrüchte, Salz, Kräuter – alles passt. Deswegen liebe ich die Patisserie auch so sehr. Ich liebe Crumbles und Strudel, alles, was diesen verlockenden Geruch nach Keks hat. Es ist aber wichtig überall eine Spur Salz hinzuzufügen. Das weckt die Vielschichtigkeit der Aromen.“

Jetzt mal im Ernst: Könnten Sie sich ein Leben ohne Kochen vorstellen?

VCH: „Das passt absolut nicht in meinen Lebensplan. (Lacht.) Mein Ehemann ist Koch. Mein zweiter Ehemann (Sie grinst zu Devin.) ist ebenfalls in der Küche. Manchmal fragen mich die Leute, was ich machen würde, wenn nicht das? Ich weiss es ehrlich gesagt nicht. Ich habe keinen Plan B. Selbst meine Kinder können kochen.

Mein Sohn macht die besten Rühreier und bringt das sogar seiner Freundin bei. (Lacht sie stolz.) Und meine Tochter kocht für ihre Nanny, weil sie denkt, dass diese es nicht richtig macht. Bei uns ist Kochen einfach Familiensache.“

Geht Kochen ohne Leidenschaft?

VCH: „Oh nein! Dann wird deine Karriere zum blossen Dahinvegetieren. Jemand, der über 20 Jahren die gleichen Kartoffeln macht. Unvorstellbar. Das Leben ist Leidenschaft. Ich bin Portugiesin, mein Herz schlägt mediterran, bei mir geht nichts ohne Leidenschaft. Da ist Feuer drin, Temperament. Ich muss alles fühlen. Das Leben geht auf und ab, wie eine Herzfrequenz. Wenn es flach ist, bist du tot (Sie lacht.) Leidenschaft bedeutet Leben, einfach, dass du etwas fühlst.“

Devin, als Veronicas Arbeitsehemann – was ist ihr beste und ihre schlechteste Eigenschaft?

DMJ: „Ihre beste ist definitiv die Art und Weise, wie sie in jedem den Glauben an sich selbst stärkt. Hm, und das Schlimmste ist, dass wir zu viel Zeit damit verbringen können, einfach nur da zu sitzen und zu kichern, anstatt unsere Arbeit zu machen.“ (Beide grinsen.)

Gibt es ein Lebensmotto?

Veronica: „Ich bin zu beschäftigt mit dem Leben, um dafür ein Motto zu haben! Sei präsent, egal was du tust. Das ist wichtig, ob es jetzt hier im Gespräch ist, in der Küche oder daheim bei meinen Kindern – sei da mit allem was du hast. Körper, Geist und Seele. Sei wahrhaftig.“

Devin: „Mein Motto… Gott… Finde immer Zeit zum Lachen!“

Weitere Informationen unter http://www.theroyalportfolio.com/the-silo/overview/

Über die Autorin

Es gibt sie ganz selten. Doch Anja Hanke hat das grosse Glück zu ihnen zu gehören: Den Menschen, die ihr Hobby zum Beruf machen konnten.

Sie liebt gutes Essen, handgefertigte Weine, erlesene Produkte und diese Verbindung an den verschiedensten Orten dieser Welt einzufangen – und für ihre Leser genussvoll aufzubereiten.

Kommentare

Sicherheitscode eingeben:

Meine Favoriten
Nach oben

Jetzt Facebook-Fan werden und keine Story verpassen

Jetzt Facebook-Fan werden

Jetzt den Feinschmecker.com
Newsletter abonnieren

Immer auf dem aktuellen Stand - die besten Rezepte & Storys - das Feinschmecker.com Mailing kostenlos abonnieren.

Datenschutz wird bei uns gross geschrieben - wir geben Ihre Daten niemals weiter. Der Newsletter kann jederzeit gekündigt werden.