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Steffen Henssler wird gegrillt, geschlagen und macht sich rar

Steffen Henssler wird gegrillt, geschlagen und macht sich rar
Copyright MTS GmbH / Steffen Henssler

Unter den deutschen Fernsehköchen rangiert einer gerade weit vorn. Ein smarter Hamburger liess sich im Fernsehen grillen und hat noch mehr vor. Aber lohnt sich ein Besuch in seinem Restaurant?

Wenn man keinen eigenen Fernseher besitzt, bleibt man verschont von einem Mann, den die einen eloquent nennen und dem die anderen nachsagen, dass er wirke wie ein Frosch auf Ecstasy. Wie TV-kundige Menschen berichten, soll sich Herr Henssler im übertragenen Sinne grillen lassen haben in einer Show, in der ein ehemaliger Fussballmanager mit sichtbarer Leidenschaft für grosse Portionen die Speisen des Protagonisten und seiner Herausforderer bewertet.

Ob der sogenannte Calli sich mit Essen in qualitativer Hinsicht oder lediglich in quantitativer auskennt, ist aber an dieser Stelle nicht Gegenstand der Überlegungen. Wichtiger ist eher die Frage, ob Henssler überhaupt kochen kann. Um das herauszufinden, ist flugs ein Tisch reserviert. Hamburg, Henssler & Henssler. Der Maître eröffnete es 2001 mit seinem Vater, nachdem er zuvor erfolgreich eine Sushi-Ausbildung in Kalifornien durchlaufen hatte.

Später kamen noch weitere Lokale dazu, es entstand ein kleines Henssler-Imperium. Auch kurzfristig bekommt man Platz, es ist Mittag, ein Dienstag, da sind nur wenige Lokale ausgebucht, auch dieses nicht. Gross ist der Laden, nur einen Katzensprung vom Elbufer entfernt, auch noch.

Henssler fehlt an diesem Mittag

Henssler zu sehen, ist vermutlich ein Grund für viele Besucher, gerade hier einzukehren. Doch sie haben Pech, um 12:00 Uhr ist Henssler nicht vor Ort. Allerdings gibt es noch mehr Argumente, sich aufzumachen zum In-Restaurant, das bereits Sushi servierte, als derartige Fisch-Reis-Happen noch Exklusivität ausstrahlten. Genau das, exklusiv, ist das ganze Restaurant allerdings kaum, wirkt eher locker und ist für alle da.

Eine Menge Köche hantieren hinter der Theke, mehrere Sushimeister schneiden Fischfilets, formen Reisbällchen. Am Nebentisch bestellen zwei Damen eine Riesenportion. Sieht gut aus. Dass Henssler immer noch nicht da ist, scheinen sie mit einer gewissen Enttäuschung zur Kenntnis zu nehmen.

Wer immer hier die Schulung der Mitarbeiter übernimmt, macht das übrigens ausgezeichnet. Henssler scheint ein Händchen fürs Team zu haben. Die Empfangsdame freut sich offiziell darüber, dass der Gast da ist und bekommt es auf nicht selbstverständliche Weise hin, den reservierten Tisch als besonders schön zu beschreiben.

Und die Kellnerin, die Wasser und Karten bringt, ist die Freundlichkeit in Person. Essen trägt sie natürlich auch auf. Rasch, fast zu rasch. Aber mittags haben die meisten Hamburger vermutlich nur ein begrenztes Zeitbudget.

Nicht nur roher Fisch

Bestellen kann man nicht nur rohen Fisch, obwohl wir das natürlich tun. Sashimi vom Loup de Mer mit Birne, Bohne, Speck. Bekommt man anderswo in Hamburg garantiert kein zweites Mal, zeigt aber den Hensslerschen Willen, klassische Rezepte aufzubrechen, zu modernisieren. Das Ganze ist, trotz untadeliger Qualität des Hauptdarstellers, ein bisschen süss geraten, vor allem die obenauf gelegten Scheiben von schwarzen Nüssen passen kaum zum Fisch.

Der gebratene wiederum, den man im warmen Hauptgang aus dem Mittagsmenü reicht, ist ein bisschen überwürzt, Salz und Wasabi, auch ein paar Sekunden zu lang gegart. Macht nichts, kann man trotzdem vergnüglich essen. Fleisch hätte es, für Fischverächter, auch. Und ein paar gute Weine, wenig Weltbewegendes. Aber reicht das aus, um das Restaurant zu empfehlen? Ganz sicher bin ich da noch nicht, zumal es ja nicht wirklich günstig zugeht.

Die paar Scheibchen Fisch, die ich als Vorspeise bestelle, kosten 17,50 Euro, wer abends einen warmen Hauptgang ordert, nähert sich schnell der 30-Euro-Grenze. Vielleicht sollte man diese Fernsehkoch-Lokalität auch unbedingt mit den richtig guten Fischrestaurants Hamburgs vergleichen, nicht das Fischerhafenrestaurant als Massstab nehmen, das Boathouse oder das Jellyfish.

Es existieren bessere Meeresbewohnerlokale in Hamburg, das steht fest. Doch wer Henssler & Henssler als coole Allzweckadresse sieht, wird sich wohlfühlen. Der Service bleibt ja, bis zur Verabschiedung, nett und professionell, die Sushimeister filetieren emsig vor sich hin. Und wenn das Restaurant voll ist und brummt, fühlt man sich bestimmt wie in einer richtigen Grossstadt.

Der Chef taucht leider nicht auf an diesem Mittag, was ja vielleicht besser ist. Die Damen vom Tisch nebenan wären am Ende noch dahingeschmolzen, hätten nach Autogrammen geheischt. Fernsehköche sollten sich, finde ich, entscheiden: entweder (fast) immer da oder besser gar nicht. Dann wissen alle, woran sie sind. Steffen Henssler dürfte demnächst noch weniger Zeit für den Gang von Gast zu Gast haben.

Nachfolger von Stefan Raab solle er werden, titeln einschlägige Medien, sich nicht mehr grillen, sondern eher schlagen lassen. Ob sich der Hamburger Koch da nicht etwas zu viel aufhalst? Sich nicht ein bisschen überschätzt? Einen Fernseher werde ich mir seinetwegen jedenfalls nicht anschaffen. Und ob Steffen Henssler wirklich kochen kann, über Sushi hinaus, oder nur so tut als ob, weiss ich nach dem Bezahlen der Rechnung immer noch nicht.

Henssler & Henssler, Grosse Elbstrasse 160, 22767 Hamburg, Tel. +49-40-38699000, www.hensslerhenssler.de

 

Über den Autor

Wolfgang Fassbender ist seit 25 Jahren als freier Journalist in den Bereichen Wein und Gastronomie tätig. Der gebürtige Leverkusener hat mehr als 80 Bücher geschrieben oder herausgegeben, arbeitet für viele Zeitschriften und mehrere Zeitungen, testet sich als Restaurantkritiker durch die Welt.

Er pendelt zwischen seinen Wohnsitzen im Rheinland und Zürich.

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