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Kopp’s in Berlin – Gehobene Gemüse-Gastronomie

Kopp’s in Berlin – Gehobene Gemüse-Gastronomie
Copyright Kopp's

Bei einem ausgebildeten Schauspieler wie ihm kann man davon ausgehen, dass er Imitationen beherrscht. In seinem aktuellen Beruf als Inhaber des veganen Berliner Restaurants „Kopp’s“ setzt Ilhami Terzi lieber auf vegetale Originale: Hier sind Gemüseva-riationen angesagt und Fleischersatzprodukte fast ersatzlos gestrichen.

„Spar bloss mit’s Jemüse!“ – diesen Berliner Urlaut hört man im wohl besten veganen Restau-rant der neuen eco-friendly Ess-Klasse Berlins garantiert nicht. Laut „Die Berliner Küche“ fehle es der Hauptstadt-Kost im Allgemeinen an Esprit und Raffinesse, sie sei weder kultiviert noch phan-tasievoll.

Vielmehr seien es die bescheidenen Ansprüche des Berliners an seine Nahrung in Verbindung mit seinem Humor, die die Küche der Hauptstadt geprägt hätten. Das mag für Schmalzstulle und Bulette aus Sicht vieler, insbesondere veganer Vertreter gelten. Die gehobene Gemüseküche, die im „Kopp’s“ geboten wird, zeugt allerdings von bemerkenswerter Ideenvielfalt und erreicht kulinarischen Kult- und Kunststatus.

Möglicherweise, weil die kreative Kost zwar in Berlin zubereitet wird – und das auf ausgezeichnete Weise –, aber im eigentlichen Sinne nicht unter „Berliner Küche“ fällt. Das verwundert nicht weiter, ist doch der sympathische Inhaber ein türkischstämmiger Schwabe. Der Humorlevel errreicht aber durchaus Berliner Niveau.

Komm als Fleischesser – geh’ als Veganer

Angenehmerweise erlauben Inhaber und Koch sich den Verzicht auf Starallüren und Selbst-marketing. Sie kommen ähnlich unprätentiös rüber wie das Interieur des Restaurants. Anders als die raffinierten, aufwendig dekorierten Gerichte, entspricht der Charme der Inneneinrichtung dem einer aufgewerteten Kantine, die sich mit ihren Holzpaneelen und der gelungenen Mixtur aus Alt und Neu einfach, erdverbunden und subtil stylish präsentiert. Badtürfenster aus DDR-Plattenbauten wurden nach dem Upcycling-Gedanken zu Kronleuchtern umfunktioniert, die Türen entstammen einer alten Bauernscheune in Niedersachsen.

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Das „Kopp’s“ befindet sich in einer kaschemmigen Ecke am Koppenplatz in Mitte, die im Ro-man „Pfaueninsel“ treffend beschrieben wird. Hier im Zille-Millieu ist noch nicht so viel Gentrifizie-rungsdruck spürbar wie andernorts in Berlin. Von aussen ist das „Kopp’s“ ein Plattenbau. Durch die nachträglich eingebauten grossen Fenster gelangt viel Licht in die Restaurant-Räume – und in die tierleidfrei produzierte Nahrung sowieso.

Der Aspekt „vegan“ wird aussen bewusst nicht kommuniziert, weil das Restaurant mit der offenenen Attitüde sich nicht ausschliesslich an Veganer richtet. So finden sich hier immer wieder nichts ahnende Fleischesser ein, die beim Ge-nuss von gebackenem Frühlingslauch, Tomaten-Spargel-Ragout, frittiertem Tofu an Feigen-Senf-Sauce, heissen Schokoladentörtchen und Spitzenweinen feststellen, dass die vegane Haute Cui-sine ihnen entgegen der Erwartung sogar sehr zusagt.

Im vollen Bewusstsein, dass Mili-tanz Gegenkräfte weckt, hegt man am Koppenplatz keineswegs den ideologischen Anspruch, Fleischesser zu Veganern umzupolen. Aktuell sind nur noch ein Drittel der Gäste gänzlich vegan unterwegs. Alle anderen kommen regelmässig her, weil sie es schätzen, dass in der toleranten Atmosphäre des „Kopp’s“ alle willkommen sind – die Fleischverzehrer wie die Fleischverzichter, die Lustfeindlichen wie die Lustbetonten, die Early Adopter wie die Later Imitator.

Hier wird keinem vorgeschrieben, was er zu essen, zu glauben, zu wählen, welches Geschlecht er zu lieben hat und wer mit wem Seitan an Seitan sitzen darf. Nur die eine Liebe eint sie alle: Die zum hervorragenden Essen.

Auch in der jüdischen Community ist der vegane Gourmettempel beliebt. Hippe Pärchen aus Tel Aviv zählen gleichermassen zum Kundenstamm des genialen Gemüsetempels wie andere internationale Gäste, die häufig bemerken, an keinem anderen Ort der Welt so gut vegan gespeist zu haben wie hier.

Das Tophaus des Topinambur

„Jib’ man orntlich Topinambur bei“, mag sich der Koch gedacht haben, als er das Rezept zu Topinambur-Schiffchen, gefüllt mit Topinambur-Salat, an Topinambur-Creme entwi-ckelte. Zur süsslichen Kartoffel-Alternative wurden Frisee- und Feldsalat mit kaltgerührter Preisselbeere, Granny Smith-Sorbet und Kürbis, garniert mit essbaren Stiefmütterchen-Blüten, serviert.

Im „Kopp’s“ in Berlin ist alles vegan - auch die stilvoll angerichteten Des-serts
Im „Kopp’s“ in Berlin ist alles vegan – auch die stilvoll angerichteten Desserts

Eingeschenkt wurde als begleitender Wein ein Cuvée aus Grenache und Syrah des Labels Binet & Jaquet – das mit dem Standford-Binet-Test keine Berührungspunkte hat – des Deutsch-Schweizers Olivier Binet. Es handelt sich um einen biodynamischen Wein nach Demeter-Masstäben.

Da einige Weingüter auf die Klassifizierung „vegan“ oder „bio“ verzichten, weil ihnen allzu viel „Vegan-Gehype“ zuwider ist, führt das Team des „Kopp’s“ Gespräche mit all seinen Weinproduzenten, um die Verwendung tierischer Bestandteile im Schönungsverfahren auszu-schliessen. Im Fall der biodynamischen Weine, die das Restaurant standardmässig im Programm hat, wird ohnehin auf das Schönen verzichtet.

Auch zu der Inhaberin der Mosterei Thierschmann, die bereits seit zwanzig Jahren Apfelsaft chemiefrei produziert, besteht persönlicher Kontakt. Ausserdem kooperiert das Restaurant mit Mosaik, wo Menschen mit Behinderung an der Produktion ökologischer Le-bensmittel mitwirken.

Innovation statt Imitation

Die Ersatzmentalität „Kauf’ Tofu, kauf’ Seitan, weil es ähnlich schmeckt wie Bolognese“ ist aus Sicht mancher Szenekenner schon jetzt ein auslaufendes Modell. Das zeigt sich teilweise auch umsatzseitig. Originales Gemüse statt substituiertes Fleisch, lautet vielerorts und vor allem hier die Devise. „Bier is’ och Stulle“ und auch das ist im „Kopp’s“ vegan – so wie ausnahmslos alles auf der Karte: Vom Gin bis zum Portwein, vom Aperitif bis zum Dessert.

Auch in geschmacklicher Hinsicht sind unter anderem die Desserts hervorzuheben. Selbst Nicht-Veganer geben gerne zu, dass die naturbelassenen Nachspeise besser munden als nicht-vegane. Und last not least ist der „Hugo“ bzgl. Mischung und Temperatur einzigartig.

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Ilhami Terzi und sein Team führen die erwartungsfreudigen Gäste meisterhaft durch den Abend – von Gang zu Gang statt, wie damals als Schauspieler am Magdeburger Stadt-theater, von Akt zu Akt. Gehobenen Unterhaltungswert haben die gelungenen kulinarischen Dar-bietungen auf jeden Fall. Und Applaus verdient sowieso.

Und so urteilsfrei das Team sich auch zeigt, sei mir zumindest dieses eine Urteil erlaubt: Das „Kopp’s“ ist der rein vegane Hotspot der Hauptstadt. “All the things I really like to do are either im-moral, illegal, or fattening“, mag für Oscar Wilde gegolten haben. Hier isst man hingegen moralisch wie kalorisch einwandfrei.

Über die Autorin

Anika Reuner ist eigentlich Texterin in der Welt der Werbung - da Anika aber besonders gerne über Themen schreibt, die ihr am Herzen liegen und ihren Werten entsprechen, versteht sie sich ausserdem als Redakteurin für Travel und alternative Ernährungsformen.

Sie schätzt kleinere Weinmessen wie die „Vinipro“ in Bordeaux, das Médoc und die Route des Châteaux.

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