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Johanna Maier – Die Schätze in meinem Garten

Johanna Maier – Die Schätze in meinem Garten
Copyright Johanna Maier

Sie hätte allen Grund zum Abheben. Schließlich ist Johanna Maier die einzige österreichische Köchin, die bislang mit vier Hauben im Gault Millau ausgezeichnet und zudem mit zwei Michelin-Sternen geadelt wurde. Dennoch hat die Spitzenköchin Bodenhaftung. Was sie erdet? Ihr Garten.

„Gärtnern bedeutet für mich einfach Lebensfreude pur, mit den Rhythmen der Natur im Einklang zu leben“

Der Sommer ist für Johanna Maier eine ganz besondere Jahreszeit. Dann, wenn die Natur reich und ergiebig ist, werden Kindheitserinnerungen wach, denn schon damals begegnete ihr die heilende Kraft der Natur. Ihre Eltern und Grosseltern hatten beide Gärten, in denen die sie als kleines Mädchen an so manchem Strauch naschte und so manchen Apfel vom Baum stibitzte.

Längst sind diese Tage vergangen. Johanna Maier zählt heute zu den besten und namhaftesten Köchinnen Europas. Doch eines hat sie sich aus diesen unbeschwerten Kindheitstagen bewahrt: Die Liebe zum Gärtnern. Denn zwischen Kräuterbeeten und Obstbäumen schöpft sie nicht nur Kraft und Inspiration – sie erntet auch so manche Köstlichkeit, die in sie in ihrer mehrfach ausgezeichneten Küche im Familienbetrieb in Filzmoos gekonnt und produktnah veredelt.

Johanna Maier im Interview mit Anja Hanke

„Ich möchte mit meinem Essen nicht nur Wohlgeschmack, sondern auch Wohlbefinden schenken“

Anja Hanke: Frau Maier, Sie sagen selbst, dass die Verbeugung vor der Natur eine der wichtigsten Ingredienzien Ihrer Küche ist. Bauen Sie deshalb auch einen Teil Ihrer Zutaten selbst an?

Johanna Maier: Gärtnern bedeutet für mich einfach Lebensfreude pur, mit den Rhythmen der Natur im Einklang zu leben, sich über Blumen und gute Ernte zu freuen, sich körperlich zu betätigen, festgefahrene Gedanken zu lösen und Ideen in Form zu bringen. Da wir neben dem Hotel und dem Restaurant nicht viel Zeit haben, war es mir wichtig, dass unsere Gärten pflegeleicht sind. Wir pflanzen vor allem Kräuter an. Auch Mangold, den wir für unseren Vitaldrink verwenden. Täglich pflücken wir in unseren Gärten und in der wunderbaren Natur zehn bis zwölf verschiedene frische Kräuter: Vom Spitzwegerich übers Johanniskraut bis hin zu Pfefferminze und Wiesenklee.

Anja Hanke: Scheint, als lieben Sie die Kräuterküche ganz besonders?

Johanna Maier: Ohja! Wer mich kennt, weiss, Kräuter und Gewürze sind meine ganz grosse Leidenschaft. Es gibt Hunderte von Aromen und oft genügt nur ein Hauch, um einer Speise das gewisse „Etwas“ zu verleihen. Mein Interesse gilt aber auch den besonderen gesundheitsfördernden Eigenschaften von Kräutern und Gewürzen.

Anja Hanke: Das Nähe zum eigenen Garten lernten Sie schon als Kind kennen. Sind es schöne Erinnerungen, die Sie mit dieser Zeit verbinden?

Johanna Maier: Die Gärten meiner Eltern und Grosseltern dienten in erster Linie noch der Vorratshaltung. Was geerntet wurde, musste fürs Jahr fürsorglich konserviert und eingeteilt werden. Vom Frühling bis in den Herbst war der Garten eine tägliche Aufgabe für uns alle. Geliebt habe ich unseren Klarapfelbaum, der Duft, die zarte Schale und die frische Saftigkeit dieser Frühsommeräpfel liegen mir noch heute auf der Zunge. Die durften wir immer ganz schnell und masslos wegessen – damit sie nicht mehlig werden. Für mich war es einfach tief beglückend, unter seinem schattigen Blätterdach in die Früchte zu beissen und meine Seele baumeln zu lassen.

Auch Oma’s Ribiselmarmelade (Johannisbeermarmelade) war ein Gedicht. Nur das mühselige Abrebeln der zarten Beeren mochte ich gar nicht. Eine ganz besonders köstliche Erinnerung sind auch die Erdbeerbeete unseres Nachbarn. Eine Verlockung, der ich nicht immer widerstehen konnte.

Anja Hanke: Heute sind Sie eine Köchin. War das schon immer ihr Traum?

Johanna Maier: Ich würde das viel mehr so ausdrücken: Ich habe verhältnismässig spät und durch den Verlauf von Ereignissen in der Kochkunst meine Erfüllung und meinen beruflichen Lebenssinn gefunden. Schliesslich bin ich erst mit 33 Jahren, nach dem Tod meiner Schwiegermutter, in die Küche gewechselt. Mein Mann hatte mich zur damaligen Zeit in ein Hauben-Lokal ausgeführt und von da an wusste ich: So will ich auch kochen. Heute kann ich über den Geschmackssinn – aber auch über den Geruchs- und Sehsinn, etwas anderes sagen und oft mehr ausdrücken, als es mir mit Worten möglich ist.

Anja Hanke: Wie würden Sie Vision der Johanna Maier-Küche beschreiben?

Johanna Maier: Ich möchte mit meinem Essen nicht nur Wohlgeschmack, sondern auch Wohlbefinden schenken. Gesunde Leichtigkeit, grösstmögliche Abwechslung, Frische, Purismus und immer auch das Neue, das Überraschende sind mir wichtig. Denn der Gaumen langweilt sich ungern. Mir ist es ganz wichtig, Geschmackserlebnisse zu bieten, die in Erinnerung bleiben. Mein Ziel ist es, mein Wissen mit möglichst vielen Menschen zu teilen und eine gute Küche auch zu Hause nachkochbar und erlebbar zu machen.

Darum habe ich meine Gewürzmischungen entwickelt, darum achte ich bei meinen Kochbüchern auf die Umsetzbarkeit in privaten Küchen und darum haben wir unsere Kochschule eröffnet, die jeder, der sich kulinarisch weiter entwickeln will, besuchen kann. Um mehr Menschen die Qualität und den Geschmack unserer Küche näherzubringen.

Anja Hanke: Was verbinden Sie mit der Natur?

Johanna Maier: Persönlich ist sie mein Regulativ und sie inspiriert mich. Ich gehe jeden Tag mit meinem Hund. Ich liebe unsere Berge, sie lösen in mir jegliche Anspannung, sie geben mir eine innere Ruhe, die mir auch den Alltag erleichtert. Beruflich gibt uns die Natur vor, was im Moment für unseren Körper wichtig und richtig ist. Wer darauf achtet, was gerade bei uns reif ist, bekommt auch die Nährstoffe, die er wirklich braucht. Ich koche aus dieser Überzeugung heraus bevorzugt mit regionalen, saisonalen Produkten.

Qualität, Güte des Ursprungs, Reife und Frische bringen immer auch einen Gesundfaktor mit sich. Gemüse und Früchte am richtigen Ort, zum richtigen Zeitpunkt und in voller Reife gepflückt, verwöhnen uns nicht nur mit ihrem unvergleichlichen Geschmack, sie bereichern uns mit einem Übermass an Vitalstoffen, die unseren Körper gegen das Leben panzern. Mit Kräutern, Gemüse und Obst sind schnell wunderbare Salate, Suppen oder Gemüsegerichte gezaubert, die allein durch ihre bunten Farben den Gaumen locken und so gesund sind.

Anja Hanke: Haben Sie ein Lieblingskraut- oder Gemüse?

Johanna Maier: Nein, ich freue mich im Frühling über das erste frische Grün, im Mai über den Spargel, im Juni über die Erdbeeren, im Herbst über die Pilze, die Äpfel, das Kraut, die Kartoffeln und im Winter über die zauberischen Weihnachtsgewürze.

Anja Hanke. Wie viel eigener Garten steckt in Ihren Gerichten?

Johanna Maier: Kräutlein aus Eigenanbau finden sich in fast jedem unserer Gerichte. In die unseren Kochkursen bauen wir immer auch ein wenig Kräuterkunde ein. Da spielen vor allem Wildkräuter, die direkt vor der Haustüre wachsen, eine wichtige Rolle. Leider ist vielen Menschen das Wildkräuterwissen weitgehend verlorengegangen. Zum Glück hat die Natur den Mensch nicht vergessen. Es gibt eine Vielzahl von wirklich interessanten und wirksamen Schätzen in unserer heimischen Natur zu finden. Nicht zu vergessen, dass unsre Wildpflanzen ein Vielfaches an Nährstoffen aufzuweisen haben. Vom Leben kommt Leben.

Anja Hanke: Eine schöne Philosophie. Haben Sie ein Lebensmotto?

Johanna Maier: Widme dich der Liebe und dem Kochen mit ganzem Herzen.
Weitere Infos unter www.johannamaier.at

Über die Autorin

Es gibt sie ganz selten. Doch Anja Hanke hat das grosse Glück zu ihnen zu gehören: Den Menschen, die ihr Hobby zum Beruf machen konnten.

Sie liebt gutes Essen, handgefertigte Weine, erlesene Produkte und diese Verbindung an den verschiedensten Orten dieser Welt einzufangen – und für ihre Leser genussvoll aufzubereiten.

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