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Essen als Event – die besten Gourmetfestivals

Essen als Event – die besten Gourmetfestivals
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Wein- und Gourmetfestivals haben Konjunktur. Jene im schweizerischen St. Moritz und im deutschen Rheingau besitzen lange Tradition, Berlins Ess-Event startete dagegen erst vor wenigen Jahren. Die Rezepte sind unterschiedlich: Einmal stehen Starköche im Vordergrund, dann wieder werden Küchen fremder Länder oder die lokale Winzerelite in Szene gesetzt. Manchmal geht es sogar extrem eng oder anderweitig intim zu.

Als Pierre Gagnaire eintrifft, merkt man den Unterschied sofort. Vorher arbeiten alle Köche im Hattenheimer Kronenschlösschen mit konzentrierter Entschlossenheit, später dreht sich alles um den aus Paris angereisten Meister.

Die Ausstrahlung des weissbärtigen Franzosen ist mit faszinierend noch milde beschrieben: Klar, dass viele Gäste extra aus Gagnaires Gründen angereist sind zu einer der Prestige-Veranstaltungen des Rheingau Gourmet Festivals.

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Seit Anfang an setzt Festival-Doyen Hans B. Ullrich, der einst zusammen mit dem verstorbenen Winzer Bernhard Breuer auf die Idee kam, auch auf Zugpferde aus der Riege der grossen Köche der Welt. Er kombiniert sie mit legendären Weingütern aus Italien, Frankreich oder Kalifornien, vergisst nie ultrateure Raritätenproben – 30 Jahrgänge Château Haut-Brion! –, bindet aber auch die heimischen Winzer ein.

Was wäre ein Gourmetfestival im Rheingau ohne Riesling? Auch in der Jubiläumsausgabe des seit 1996 veranstalteten Events wird der heimische Wein hoch gehandelt: Das älteste deutsche Ess- und Trinkfestival ist halt auch eine Werbemassnahme für die Reben zwischen Rüdesheim und Wiesbaden.

Der Kaviarfaktor

Kaviar und Champagner in St. Moritz
Kaviar und Champagner in St. Moritz

Wer ausserhalb der Weinbauregionen zum Festivalgestalten ansetzt, hat es schwerer und einfacher zugleich. Allzu viel Rücksicht nehmen auf die Winzer muss Reto Mathis, der Mann hinter dem seit 1994 existierenden St. Moritz Gourmet Festival, eben nicht.

Drei-Sterne-Starköche sind schon eher seine Sache, aber spannend ist auch das Gastland-Prinzip, ergänzt um Partys und sogenannte Safaris.

Auf diese Weise haben sie vor 22 Jahren Geschichte geschrieben in der Schweiz. Festivals, bei denen es um Essen und Trinken ging, gab es damals allenfalls in den USA und Asien.

Letztes Jahr waren übrigens Köche aus England zu Gast im noblen Skiort, Anfang 2016 präsentierten Japaner (und Halbjapaner) die Feinheiten der fernöstlichen Küche. Tohru Nakamura, der Aufsteiger von Geisels Werneckhof in München, kochte während der legendären Küchenparty sein Risotto auf japanisch inspirierte Art und tröstete mit dieser unnachahmlich würzigen, auf Umami-Eindrücken beruhenden Kombination über die grandiose Enge des Events hinweg.

Man quetschte sich in der Hitze einer auf Hochtouren laufenden Küche durch die Reihen und stiess seinen Mitgeniessern ständig Ellenbogen in die Rippen. Dass beim St. Moritzer Event die Faktoren „Sehen und Gesehenwerden“, Kaviar und Champagner grossen Stellenwert haben, dürfte im Übrigen niemanden überraschen, der sich mit dem Flair des Ortes auskennt.

Doch wer neugierig ist, kann in St. Moritz immer noch Spannendes entdecken – wie die feinen Sake, die im Suvretta House zu den Kreationen des japanischen Neugierkochs Masayasu Yonemura ausgeschenkt wurden.

Käsetage und Fernsehköche

Mit historisch wertvollen Festivals wie dem im Engadin oder jenem im Rheingau kann sich eat! berlin nicht messen. Noch nicht, um genau zu sein. Erstmals 2011 lud der österreichische, in der deutschen Hauptstadt lebende Sommelier und Gourmet Bernhard Moser zum Feiern ein, inzwischen hat sich seine Erfindung etabliert.

Vielleicht auch deshalb, weil sich der Organisator dem Rhythmus Berlins angepasst hat. Starköche à la Tim Raue hat die Stadt schliesslich selbst zu bieten, auch wenn noch keiner von ihnen den dritten Stern zugesprochen bekam. Wenn einer von aussen nach Berlin gebeten wird, dann muss er auch jenseits der Gastro-Bewertungen etwas zu sagen und zu kochen haben.

So wie Konstantin Filippou, der Wiener mit griechischen Wurzeln. Vegetarisch-literarische Abende geniessen bei der eat! berlin grossen Zuspruch, das „kulinarische Sachsen“ lockt nicht nur Exil-Dresdner an, und die Käsetage waren 2015 so überlaufen, dass die Halle zeitweise geschlossen werden musste.

Sogar extrem intime Events mit nur acht Gästen und einem Koch werden hier möglich. Die typischen Besucher eines Rheingauer oder St. Moritzer Gourmetfestivals wären vermutlich irritiert, wenn sie die jugendlich-frisch wirkenden Berlin-Events besuchten. Vielleicht würden sie sich aber auch inspirieren lassen und daheim Ähnliches verlangen – gute Gastrofestivals überleben schliesslich nur, wenn sie sich immer wieder neu erfinden.

Im Rheingau ist Pierre Gagnaire übrigens schon weg, als der Berichterstatter in die Küche darf; das erhoffte Kurzinterview muss verschoben werden. Köche zum Anfassen – das funktioniert auch bei den besten Gourmetevents der Welt nicht automatisch.

Was ist das Besondere an der eat! berlin, Bernhard Moser?

Herr Moser, 2011 haben Sie in Berlin ein Gourmetfestival gegründet. Nach dem Vorbild von St. Moritz oder dem Rheingau?

Ich war bis heute noch auf keinem anderen Festival. Aber ich wusste immer ganz gut, wie Berlin tickt. Mir ging es immer darum, Dinge in einen im Idealfall noch nicht bekannten Kontext zu setzen. Wie bei „Fernsehköche im Fernsehturm“: irgendwie naheliegend, hat nur noch keiner gemacht. Der Berlinbezug ist mir dabei halt sehr wichtig.

Was ist bei Ihnen anders als bei anderen Events?

Anders will ich machen, dass ich keine Massenspeisungen mit berühmten Namen haben will. Lieber nur einen Koch, wenig Gäste und dafür ein hautnahes Erlebnis. Bei der eat! berlin soll sich auch keiner für Essen anstellen müssen. Jeder hat einen Platz, und das Essen wird in der Regel auch gebracht.

Was klappt besonders gut?

Besonders gut funktionieren bei uns Events, die einen gewissen Bruch haben: italienische Mamas in einem Luxushotel, Hendrik Otto kocht für 235 Leute im Kino, ein Pop-Up-Restaurant in einem Blumenladen …

Über den Autor

Wolfgang Fassbender ist seit 25 Jahren als freier Journalist in den Bereichen Wein und Gastronomie tätig. Der gebürtige Leverkusener hat mehr als 80 Bücher geschrieben oder herausgegeben, arbeitet für viele Zeitschriften und mehrere Zeitungen, testet sich als Restaurantkritiker durch die Welt.

Er pendelt zwischen seinen Wohnsitzen im Rheinland und Zürich.

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