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Bernard Antony – der Zeremonienmeister des Käse

Bernard Antony – der Zeremonienmeister des Käse
Copyright Alexander Hänsel Congress Centre

Bernard Antony gilt vielen Feinschmeckern als bester Käse-Affineur Frankreichs. In seinem Laden im unscheinbaren Vieux-Ferrette stehen neben Gourmets auch Staatsgäste und andere Prominente Schlange. Für den Elsässer kein Grund, von seinen Prinzipien abzuweichen oder sein Angebot gar an die Moderne anzupassen.

Käseexperte Antony ist generell zufrieden und nochmals glücklicher, seit er daheim personelle Unterstützung bekommen hat. „Ich habe Glück, dass ich einen Sohn besitze, der ebenfalls Käse mag.“ Und wie er das tut, dieser Jean-François, der Spross des ziemlich bescheiden auftretenden Käse-Affineurs aus dem Sundgau – und dem Papa damit Auslandsreisen ermöglicht. So wie er da auf der Bühne steht, wie an diesem Tag beim Weinfestival des Schweizer Kurstädtchens Interlaken über sein Leben plaudert, traut man Monsieur Antony senior die Karriere der letzten Jahrzehnte kaum zu.

Und irgendwie scheint ihm das ähnlich zu gehen. So ganz kann der nette Herr wohl gar nicht glauben, was um ihn herum vorgeht, was Prominente dazu bewegt, im seinem Lädchen vorzusprechen, was an Wochenenden zu Schlangen vor der Tür führt, was ihm schon Orden und andere Ehrenzeichen eingetragen hat.

Vom Gemischtwarenhändler zum Affineur

Vor vier Jahrzehnten war das Happy End dieser Geschichte noch nicht abzusehen. In den 1970-ern fuhr Antony mit seinem Verkaufswagen über die südelsässischen Dörfer, brachte den Hausfrauen Lebensmittel und Strümpfe, Backpulver und Mehl. „Ich war den ganzen Tag unterwegs, bis zum späten Abend“, erinnert sich jener Mann, der erst ganz allmählich die Geheimnisse des Käses für sich entdeckte und dann eifrig losstudierte.

„Ich habe viel meinem Lehrmeister Pierre Androuët zu verdanken.“ Der damals schon berühmte Pariser Affineur erzählte ihm von den Besonderheiten der Käsereifung, dass man manche Sorten mit Salzwasser, andere mit Marc de Bourgogne einreiben, dass man die Laibe in regelmässigen Abständen zu wenden hat und welche Luftfeuchtigkeit die Lagerräume aufweisen müssen.

„Wir haben klein angefangen“

Sein Elsässer Lehrling begann sich immer mehr auf Käse zu spezialisieren. „Wir haben klein angefangen“, sagt Antony. Die Hausfrauen, seine Stammkundinnen, bekamen allmählich mehr und bessere Milchprodukte als früher, auf den Märkten der Umgebung zeigte sich Monsieur Antony seit 1982 – und tut dies noch immer. Irgendwann muss der erste Restaurantbesitzer aufmerksam geworden sein auf die Einkaufsquelle in einer nur dünn besiedelten Gegend zwischen Mulhouse und Basel, im von der Welt fast vergessenen Sundgau. Womit es richtig losging.

Allmählicher Ruhm, strenge Prinzipien

„Es gibt bei uns nicht immer alles zu kaufen, sondern nur das, was gerade besonders gut ist“

Bernard Antony präsentiert seinen Käse in Interlaken (Schweiz)
Bernard Antony präsentiert seinen Käse

Heute beliefert die Fromagerie Antony dutzende Drei-, Zwei- und Ein-Sterne-Restaurants in aller Welt, ist aber immer noch das geblieben, was sie vor 30 Jahren war. Ein Laden auf dem Dorf, wo man ohne Zeitdruck bedient wird, wo man keinen Zirkus veranstaltet, sondern freundlich berät – auch wenn einer sich partout nicht entscheiden kann.

Die Lagerräume wurden inzwischen erweitert, das Prinzip ist unverändert geblieben. „Es gibt bei uns nicht immer alles zu kaufen“, sagt Antony, „sondern nur das, was gerade besonders gut ist“. Comté zum Beispiel, jenen wunderbar nussig schmeckenden Hartkäse aus dem Jura, oder einen Brie de Meaux, den in seinem besten Zustand leicht auseinanderquellenden Weichkäse aus der Île de France. Vacherin Mont d’Or in Perfektion oder kraftvollen Munster, die Spezialität des Elsass, die man im Sommer lieber nicht über längere Strecken transportieren sollte, so intensiv ist ihr Aroma.

Mit Ausnahme des Schweizer Gruyère stammt alles aus französischer Produktion, von kleinen Bauern. Käse aus pasteurisierter Milch kommen Antony nie in den Keller, auch von der Beigabe von Kräutern und anderen aromatisierenden Zutaten hält er nichts. „Einzige Ausnahme ist ein korsischer Käse, der traditionell in Kräutern gewälzt wird.“

Danach müssen sich alle richten, auch die Basler Gourmets, die gern herüberfahren, selbst ein Otto von Habsburg. Bernard Antony nennt die berühmten Namen gern, aber er protzt nicht mit ihnen, er freut sich einfach, dass so einer ausgerechnet in Vieux-Ferrette nach Käse sucht.

Käsezeremonie ohne Brimborium

Wer länger bleiben will, kann sich für die Käsezeremonie anmelden. Ein paar Tische sind es nur, man muss rechtzeitig reservieren. Für wenige Gourmets zelebriert der Chef dann den Rohmilchkäse in mehreren Gängen, erläutert und schneidet an. Dazu keine Chutneys oder anderes Brimborium, allenfalls das beste aller Brote, das in Paris gebackene Pain Poilâne, und Weine aus dem Elsass, aus dem nahen Jura und ein paar anderen Regionen Frankreichs.

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Manchmal gibt es auch frische bretonische Kartoffeln zu kaufen im kleinen Käseladen, feine Flaschen darf man sich ins Auto laden. Aber einen Supermarkt macht Bernard Antony nicht aus seiner Fromagerie. Lieber schaut der Maître persönlich nach dem Wohlbefinden seiner Käse. Oder steigt ins Flugzeug, um den Gourmets in aller Welt vom französischen Rohmilchkäse zu berichten.

Fromagerie Antony, 5, rue de la Montagne, F-68480 Vieux-Ferrette, Tel. +33 3 89 40 42 22, www.fromagerieantony.fr

Über den Autor

Wolfgang Fassbender ist seit 25 Jahren als freier Journalist in den Bereichen Wein und Gastronomie tätig. Der gebürtige Leverkusener hat mehr als 80 Bücher geschrieben oder herausgegeben, arbeitet für viele Zeitschriften und mehrere Zeitungen, testet sich als Restaurantkritiker durch die Welt.

Er pendelt zwischen seinen Wohnsitzen im Rheinland und Zürich.

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Lea Müller

Seinen Käse zu probieren ist wie in die Sonne zu schauen, man sieht/will danach keinen anderen Käse mehr.

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