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Andreas Caminada – Sechs Stunden Avantgarde

Andreas Caminada – Sechs Stunden Avantgarde
Copyright Restaurant Schloss Schauenstein

Unter allen Schweizer Köchen gilt Andreas Caminada als einer der charmantesten. Der jugendlich wirkende Bündner lässt Speisen servieren, die ebenso durchdacht wie preiswert sind. Eigentlich logisch, dass man lange im Voraus reservieren muss. Allzu viel Geld kostet das mehrstündige Schlossschauspiel hingegen nicht.

Auf einer französisch inspirierten Liste der besten Restaurants der Welt, vor einigen Wochen publiziert, rangierte Andreas Caminada auf Platz fünf: weit vor vielen französischen und sämtlichen deutschen Köchen.

Eine Überraschung, denn Fürstenau liegt nicht ansatzweise in der Nähe der französischen Grenzen und weitab der üblichen Ferienrouten. Und billiger als in vielen Drei-Sterne-Lokalen Frankreichs ist es hier im Domleschg eh: 249 Franken zahlt man in der idyllischen Bündner Gemeinde für sechs Gänge.

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Dafür bekäme man auf vergleichbarem Niveau in Paris oder London nicht allzu viele Genüsse serviert; im Restaurant Guy Savoy in Paris, auf der durchaus nicht unumstrittenen Rangliste an vierter Stelle liegend, muss man fürs Menü nämlich schon 360 bis weit über 400 Euro einkalkulieren.

Genüsse in der anderen Welt

Noch schöner wird der Preisvergleich, wenn man all die Kleinigkeiten dazurechnet, die zu, vor und nach den offiziellen Gängen an den Tisch kommen auf Caminadas Schlösschen, das einst vom Baron von Schauenstein bewohnt wurde und heute einer Stiftung gehört; auf diese Weise kann aus dem vermeintlich simplen Mittagessen ein tagfüllendes Programm werden.

Es gibt nicht wenige Gäste, die gegen zwölf anreisen und erst ganz kurz vor dem Abendservice wieder ihren Platz in der Raucherlounge im ersten Stock oder auf der Terrasse freimachen. In der Zwischenzeit erleben sie eine moderne, experimentierfreudige Küche, die erstaunlich selbstverständlich daherkommt und eine klassische Basis nicht verleugnet.

Nicht weniger als fünf Besuche in den letzten fünf Jahren haben mich von der Klasse Caminadas und seines Teams überzeugt. Mehr und mehr findet er zu seinem Stil, entwickelt sich fort, setzt die vielen Komponenten mit immer mehr Sinn zusammen. Unter den fast 100 Einzelgerichten, die ich probieren durfte, waren die weitaus meisten mit drei Sternen zu bewerten.

Klassik trifft Moderne

Komplexität ohne Schnickschnack: Die Drei-Sterne-Küche Caminadas
Komplexität ohne Schnickschnack: Die Drei-Sterne-Küche Caminadas

Die Unterschiede zu den anderen beiden Drei-Sterne-Restaurants der Schweiz könnten nicht deutlicher sein. Während im Hôtel de Ville in Crissier filigrane Stopfleberhappen klassischer Rezeptur gereicht werden, kombiniert man die Leber in Fürstenau vielleicht mit Joghurt, lässt sie von Pilzcrackern und dem „Schinken hoch drei“ umrahmen, was sofort eine bemerkenswerte, erdig-würzige Komplexität herbeizaubert.

Überkandidelt ist zum Glück nichts. Eine ganze Taube wird in der Küche ausgelöst und mit den passenden, sehr frisch wirkenden Beilagen arrangiert. Sogar Bündner Traditionen fliessen erfreulicherweise ein, wenn zum Beispiel Gerste, Kalb und Bündnerfleisch zu einer erdig-würzigen Kleinigkeit zusammengeführt werden.

Man merkt stetig, dass Caminada auch in komplexen Fleischgerichten Frische sucht, dass er Sellerie und Birne zum Reh reicht und zum Dessert noch mal mit viel Frucht auftrumpft. Nur ganz selten geht etwas daneben, was in diesem Falle bedeutet, dass es nicht auf Drei-, sondern nur auf Zwei-Sterne-Level weitergeht. Ich erinnere mich an einen Forelle-Rote-Bete-Gang, der ein bisschen aus der Balance geriet und dem Hauptprodukt nicht genügend Platz einräumte.

Und die Sache mit den vielgerühmten, manchmal bespöttelten Laptops, auf denen die Speisen serviert werden? Die Lichteffekte unter dem Namen „Splendur“ werden nie exzessiv eingesetzt; was auf den Glasplatten liegt, ist nicht besser oder schlechter als das sonstige Essen, wird aber spannend inszeniert. Warum also nicht?

Service, Wein, Flair

Zum Erfolg, zum Stil des Hauses trägt natürlich auch der Service bei. Sommelier und Maître Oliver Friedrich versprüht eine Lockerheit, die in der Drei-Sterne-Gastronomie nur ausnahmsweise anzutreffen ist.

Seit etlichen Jahren arbeitet der Deutsche mit Caminada zusammen, weiss längst, welche Weine der Bündner Herrschaft am meisten zu empfehlen sind und dass in Fläsch oder Jenins nicht nur Pinot Noir und Chardonnay gedeihen. Wer Regionales verschmähte, könnte sich an einem der interessantesten Champagnersortimente der Schweiz erfreuen. Zu Preisen, die ebenfalls niemanden schrecken müssen!

Im Gespräch mit Andreas Caminada

Spitzenkoch Andreas Caminada gilt als einer der charmantesten in der Schweiz
Spitzenkoch Andreas Caminada gilt als einer der charmantesten in der Schweiz

Herr Caminada, seit mehr als zwölf Jahren kochen Sie in Fürstenau. Wie hat sich Ihre Küche seitdem verändert?

Der Aufwand ist mit der Anzahl an Mitarbeitenden gestiegen. Die Basis, das „Produkt im Vordergrund“, war immer wichtig und wird es auch bleiben. Was man sicherlich sagen kann, dass unser Kochstil über die Jahre noch feiner abgestimmt wurde mit all den Erfahrungen, die man gesammelt hat. Trotzdem hat unsere Küche immer noch die Ansätze von früher, denen wir auch weiterhin treu sein wollen.

Wie wichtig ist es, den Gästen Neues zu bieten – wie mit dem „Splendur“-Konzept?

Es ist spannend mit anderen Künstlern zusammenzuarbeiten. Viele Stammgäste freuen sich, etwas Neues zu entdecken. Das ist für uns auch wichtig: Dass wir weitergehen, uns weiterentwickeln. Es ist für uns eine Motivation, die ich auch brauche, denn Veränderung gehört zu einer meiner Charaktereigenschaften. Das ganze Team spürt unsere stetige Weiterentwicklung, und trotzdem bleiben wir unserer Basis treu.

Wie sehen Sie die Spitzengastronomie der Zukunft? Mehr regionale Produkte, mehr Vereinfachung, Rückkehr zur Klassik?

Regionalität ist in aller Munde und ganz sicher wichtig – bei uns auch. Das Grundgerüst sollten auf alle Fälle regionale Lieferanten sein, und trotzdem wünschen bei uns im Schloss Schauenstein die Gäste auch gerne mal Abwechslung im Sinne beispielsweise einer Langustine. Was sicherlich wieder aufleben wird, ist die französische Küche, denn die Struktur der Küche wird immer ihre Basis in der französischen Küche haben.

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Weitere Informationen zum Restaurant Schloss Schauenstein: www.schauenstein.ch

Über den Autor

Wolfgang Fassbender ist seit 25 Jahren als freier Journalist in den Bereichen Wein und Gastronomie tätig. Der gebürtige Leverkusener hat mehr als 80 Bücher geschrieben oder herausgegeben, arbeitet für viele Zeitschriften und mehrere Zeitungen, testet sich als Restaurantkritiker durch die Welt.

Er pendelt zwischen seinen Wohnsitzen im Rheinland und Zürich.

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